Kriminaltango

Liebe Kollegen!

Hehlerware???     Ja, aber dieses Buch bleibt dennoch im Besitz des DHM.

Sonja Brandt hat das über zweistündige Frage- Antwort- Feuerwerk vom letzten Mittwochabend schriftlich zusammengefasst (herzlichen Dank!).
Ich werde mit Herrn Damm in Kontakt bleiben und versuchen, für nächstes Jahr wie gewünscht einen oder zwei Besuchstermine im LKA zu arrangieren. Alles Weitere wird hier bekannt gegeben.
Außerdem kann man die Zusammenfassung eines Artikels von Peter Bower nachlesen. Es ist eine weitere Vertiefung des forensischen Themas; die drei spannenden Beispiele zeigen die Arbeit des englischen Papierhistorikers, der oft bei Fälschungsverdacht als Sachverständiger hinzugezogen wird.
Bower dokumentiert hier nicht nur die akribisch- analytische Recherche an Aquarellen, Geldscheinen und Aktien, er benennt historische und psychologische Aspekte von Fälschungen, und stellt nach meinem Empfinden sehr schön die Bandbreite von enormem Know-how und technischem Können der Fälscher bis hin zu dreisten und belustigenden Fällen dar.
Viele Grüße, Michaela Brand.

Einblicke in die Arbeit des LKA erhielten wir durch Frau Hoffmann, Kriminalhauptkommissarin, im Sachgebiet Kunst- und Hehlereidelikte. Ihr zur Seite standen, auch für uns an diesem Abend, zwei Sachverständige: Herr Helmut Damm (Erster Kriminalhauptkommissar, Sachverständiger für Urkundenuntersuchung) und Herr Erik Ewert (Urkunden, Schriften, Drucktechnik).
Bei einem Untersuchungsauftrag, der aufgrund eines Verdachtes vom LKA erteilt wird, werden Sachverständige tätig. Dabei konzentrieren sich ihre Untersuchungen, unabhängig vom laufenden Verfahren, auf das betreffende Objekt; einen näheren Einblick in die Ermittlungen gibt es für sie nicht.
Bei einem Fall wurden in einer UB aus einem Herbarium (im Wert von 150.000 DM) mehrere Seiten herausgeschnitten. Ähnliche Verluste wurden in 2 weiteren Bibliotheken gemacht (Jena und Wien). Knapp ein Jahr später wurde die Kripo durch Werbung für eine Ausstellung in einem Antiquariat auf einzelne Seiten mit Rosen aus einem Herbarium stammend aufmerksam, die den fehlenden Blättern verdächtig ähnlich erschienen. Da ein Verdacht bestand, wurden die Seiten beschlagnahmt und untersucht.
Institutionen und Kunsthändler müssen ihre Objekte zur Untersuchung abgeben!
Die Stockflecken (angeordnet wie eine Art Fingerabdruck) passten mit denen im Buch überein, Papierstruktur und Schnittkanten vom Heraustrennen konnten nachgewiesen werden und die einzelnen Seiten somit dem Buch zugeordnet werden.
Dieses Beispiel zeigte uns, dass schon Licht, Lupe, Mikroskop und ein geschultes Auge für eine zerstörungsfreie Untersuchung ausreichen können, um kleinste Hinweise zu Beweisen zu machen.
Bei allen Untersuchungen wird zuerst von der Originalität eines Objektes ausgegangen und diese dementsprechend gehändelt:  bei einem Renoir Ölgemälde hieß das Klimabox und Personenschutz als Begleitung. Als das vermeintliche Original ausgerahmt wurde, kam jedoch sehr schnell das ©- Zeichen zum Vorschein und der echte Renoir entpuppte sich zu als ein Tintenstrahlausdruck, der übermalt worden war!
Fälschungen werden in Deutschland gerichtlich eingezogen und aufbewahrt.
Bei der Untersuchung von mehreren Käthe-Kollwitz Drucken konnte so mit Hilfe einer seit einem früheren Verfahren beschlagnahmten Druckplatte nachgewiesen werden, dass die Drucke von genau dieser Kupferplatte stammten: der Plattenrand im Papier hatte genau die gleichen Macken und Unebenheiten wie die Kupferplatte selber. (1988 wurde Edgar Mrugalla als fleißiger Kunstfälscher überführt).
Oft bedarf es einfacher Hilfsmittel, um ein Objekt zu untersuchen und Unterschiede im Papier festzustellen.
Ein weiteres Beispiel:
27 Grafiken von unterschiedlichen Künstlern wurden aus einem Berliner Auktionshaus zur Analyse mitgenommen. Im Gegensatz zu mehreren Gutachten, die diese als Fälschungen deklarierten, stellte der Sohn eines renommierten Künstlers ein Echtheitszeugnis für eine Grafik von seinem Vater aus.
Jedes gefundene Indiz oder Merkmal, das bei einer Untersuchung festgestellt wird, muss als Beweis vor Gericht angeführt werden können. Damit reicht es nicht aus, sich auf die Griffigkeit oder das Gefühl des Papiers zu beziehen- es muss als Sachbestand bewiesen werden. Zudem gibt es keine Fachgerichte für Kunstdelikte und jedem Richter müssen grundlegende Merkmale neu dargelegt werden.
Die 27 Grafiken wurden also weiter untersucht. Alle Werke waren auf dem gleichen Papier gefertigt, was u.a. den Verdacht auf eine künstliche Alterung nahe legte (nicht wie bei uns mit Licht und Hitze…nein mit Tee!). Der Nachweis von Teesubstanzen im Papier konnte durch (minimal vom breiten Rand entnommene) Proben geschaffen werden und alle 27 Werke wurden als ein Haufen Fälschungen entlarvt.
Untersuchungen folgen immer einer bestimmten Fragestellung wie z.B. „Enthält das Papier Teesubstanzen?“, „Passen diese Seiten mit ihren Stockflecken ins Buch?“ oder „Stammt der Druck von dieser Druckplatte?“
Dabei muss unparteiisch vorgegangen werden, auch wenn zuvor Historiker oder Wissenschaftler klare Vorstellungen haben (wir alle wissen ja wie unterschiedlich diese ausfallen können!). Meist ergibt ein ganzes Puzzle erst ein klares Bild.
Anklagen und Verdachte müssen dabei sensibel behandelt werden, denn auch bekannte und geschätzte Auktionshäuser können sich schon mal durch eine Fälschung täuschen lassen- Fälscher werden immer kreativer und die Fälschungen dadurch auch immer besser und origineller!
Viele dieser Beispiele und zum Teil sehr detaillierte Erläuterungen ergaben sich im wahrhaftigen Feuerwerk aus Fragen und Erzählungen.
So wissen wir jetzt auch z.B., dass wir beruhigt an unseren Objekten weiterarbeiten können, ohne die Sorge haben zu müssen Spuren zu verwischen und uns dadurch strafbar zu machen … so lange dies natürlich im fachlich bestem Wissen und unserem guten Glaube passiert!
Der Abend war nicht nur für uns beeindruckend und belehrend: so konnten auch einige von uns mit Erläuterungen was genau Stockflecken sind und dass diese auch nach dem Bleichen noch sichtbar bleiben (UV) ein paar kleine Mysterien klären.
Und auch Werke aus Studienzeiten, die man stolz als kopiertes Original präsentierte, dürfen weiter vorgezeigt werden- eine Kopie zeichnet sich immer durch kleinste Abweichungen aus (z.B. in der Größe oder fehlenden Signatur des Künstlers) und daher deutlich als Fälschung zu erkennen- also alles sehr legal…jedenfalls für den Hausgebrauch!
Das Interesse war jedenfalls sehr groß- ob an großen und kleinen Indizien, Stockflecken, Untersuchungsmethoden, dem Werdegang vom Druckvorlagenhersteller zum LKA-Sachverständigen, bis hin zu der Frage, ob dieser Abend evtl. der Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“ werden könnte: Besuche von Frau Hoffmann, Herrn Damm und Herrn Ewert bei unserem Stammtisch, sowie die Besichtigungen im LKA sind da sicherlich ein weiterer Schritt- vielleicht sogar bis zu einer Zusammenarbeit?
Sonja Brandt