Restauro als Werbeblättchen: Granderwasser

Gehört hatte ich schon mal was über die Wirkung dieses Wassers: Man soll damit bemerkenswerte Reinigungserfolge in der Gemälderestaurierung und bei Siegeln erzielen. Erwartet hätte ich von einem Beitrag darüber in unserer Fachzeitschrift (Restauro 2/2018, Seiten 49 – 55) außer begeisterten Erfahrungsberichten und Erklärungsversuchen nun wissenschaftliche Beweise der Wirksamkeit. Ich habe also versucht, das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung zu verstehen, und glaube, eine Ahnung davon bekommen zu haben. Doch leuchtet mir nicht ein, wie das auf geheimnisvollem Weg („nach dem speziellen Wissen von Johann Grander“) hergestellte Informationswasser durch eine Metallschicht hindurch unaufhörlich und ohne weitere Energiezufuhr seine Informationen an jede Menge damit umgerührtes oder daran vorbeifließendes Wasser sendet, und so zielgerichtet und dauerhaft dessen molekulare Struktur verändert. Wo finde ich die sonst grundlegende Wissenschaftlichkeit der Anwendungen in unserem Fachgebiet? Soll ich einer Firma vertrauen, die etwas mit Wasser macht, dies nur äußerst schwammig erklärt, aber dafür ausgesprochen teuer verkauft?
Wenn man also die KollegInnenschaft von dieser ziemlich esoterisch klingenden und in ihrer Wirksamkeit nicht bewiesenen Technik überzeugen will, warum zieht man nicht das scharfe Schwert der medizinischen Forschung: Die Blindstudie?
Wie wäre es, Wasserproben aus einer Grander-Anlage im Vergleich zu Proben gleicher Temperatur aus dem Nachbarhaus ohne Anlage auf ihre Reinigungswirkung zu testen?
Oder man manipuliert das Gerät: Das Informationswasser im Granderstift oder Schlüsselanhänger (das große Besteck ist vielleicht zu teuer für solche Versuche) durch normales Wasser ersetzen (oder gar leer lassen), und damit umgerührte Wasserproben im Vergleich zu Proben, die mit dem unmanipulierten Stift gerührt wurden, „blind“ testen. Das wäre doch ein vielversprechendes Thema für eine Abschlussarbeit.
Außerhalb unserer Berufsgruppe gibt es schon ein paar Forschungen und verständlichere Erklärungen (Wiki).
Irritiert haben mich weiterhin die Fotos, auf denen ohne einen mir zugänglichen Zusammenhang Gläser mit Wasser und Niederschlägen, Keimproben aus nicht näher beschriebenen Studien und, wie auf dem Bild unten zu sehen, ein Reinigungsversuch mit einem Pinsel dargestellt sind.
Ich habe mal vorgelegt und diesen „Test“ mit unserem häuslichen Kochtopf nachgestellt: das Entfernen einer Kalkschicht (Kalk von Biohühnereiern und Berliner Leitungswasser, Borstenpinsel). Ging genauso leicht ab.

Kalkentfernung ganz einfach
Heike Sommerfeld

 

Was tun im Notfall?

Auf Notfälle mit Wasserschäden sind große Archive und Museen inzwischen in der Regel vorbereitet. Anders sieht es mit Sammlungen von Privatleuten, Galerien und kleineren Archiven und Bibliotheken aus. Wenn hier ein Wasserschaden eintritt, werden oft freie Restauratoren und Restauratorinnen kontaktiert. Mitunter wird eine kostenlose ausführliche Beratung und gar eine telefonische Anleitung zur Schadensbehebung erwartet. Wie in so einer dramatischen Situation der Spagat zwischen mitfühlender Unterstützung des Betroffenen und dem professionellen Umgang mit dem Kunden und dem Problem gelingen könnte, wurde in den Räumen der Brotfabrik diskutiert.

notfallbeispiel köln
Heike Sommerfeld

 

Kunst – Schimmel – Abjekt (ein Beitrag)

Die Idee, für den oft hemdsärmeligen Umgang von Künstlern und Ausstellern/Ausstellerinnen mit dem Gefahrenstoff Schimmel einige Beispiele zusammenzustellen, kam mir nach dem Besuch der Biennale in Venedig (für Nicht-Restauratoren: das Gefährdungspotenzial).

Aktuell züchtet Gal Weinstein dort im Israelischen Pavillon unter dem Titel „Sun Stand Still“ seit Mitte Mai großflächig Schimmel auf Kaffeegrund und Zucker, Außentemperaturen um die 30°C, perfekte Bedingungen. Es riecht süßlich-schimmelig-aromatisch. Die Idee hatte Weinstein, nachdem er vergessen hatte, seine Kaffetasse rechtzeitig abzuwaschen. Eigentlich dürfte sich in den Räumen niemand ohne Schutz aufhalten, jedoch arbeiten Angestellte dort.  Das Projekt endet mit der Biennale am 26. November, falls das Haus nicht doch vorher dicht gemacht wird.
gal weinstein, biennale 2017gal weinstein, biennale 2017

Über den Italienischen Beitrag von Roberto Cuoghi „Imitazione di Cristo“ kann ich nichts über das Material sagen, auch hier scheinen ähnliche Prozesse (Il Giornale Dell Arte) in Gang zu sein. roberto cuoghi, biennale venedig 2017

Dem Graffiti-Künstler Señor Schnu, der seine Moos-Joghurt-Graffitis normalerweise an Hauswänden installiert, ist im Innenraum in der Berliner Ausstellung „The Haus“ im Mai 2017 in Berlin offenbar eine ähnliche Zucht gelungen. Der „Tagesspiegel“ schreibt am 5.5.2017: „… Dann schlägt einem im vierten Stock plötzlich wilder Geruch entgegen. Der Geruch … hat sich am Wochenende über den ganzen Gang ausgebreitet. Jeden Morgen muss jetzt eine Stunde gelüftet werden. Es trauen sich nicht alle hinein, „sonst kippe ich noch um“…“

Dieter Roths Bilder und Skulpturen (Schokolade, Vogelfutter, Fleisch Käse und mehr) aus seinem Hamburger Schimmelmuseum (Abriss 2004) werden inzwischen geschützt ausgestellt. Immerhin musste sich bereits 1970 in Los Angeles seine Galeristin vor Gericht wegen Gesundheitsgefährdung verantworten.

Auch der Wiener Fotograf Klaus Pichler arbeitet mit Lebensmitteln und schützt sich, jedoch nicht sein Wohnzimmer: „… Ich muss es ganz bewusst im Wohnbereich machen, um meiner Arbeitsweise eine gewisse Brisanz und Tiefe zu geben und um mich auch selbst zu prüfen, ob ich das schaff.“  Man sieht es im Film, daraus stammt dieses Bild. klaus pichler beim fotografieren

Bei Daniel Bräg, der die „Ästhetik der Verwesung“ thematisiert, wurden die verfallenden Objekte immerhin in Kühlschränken und Weckgläsern ausgestellt.

Die Apfelsinenschalen von Michel Blazy sowie andere seiner Objekte durften wiederum direkt im Ausstellungsraum schimmeln.

Einige Künstler scheinen (oder schienen) nichts über die Gefahr zu wissen, der sie sich selbst sowie die Betreuer und Besucher ihrer Ausstellungen aussetzen. Ich erinnere mich gut an das Umdenken um die Jahrtausendwende, als Arbeitgeber plötzlich (in der Biostoffverordnung wurden nun ausdrücklich Schimmelsporen als Gefahrstoffe aufgeführt) in die Pflicht genommen wurden, ihre Angestellten vor dem Einatmen der freigesetzten Sporen zu schützen. Das hat sich anscheinend nicht bis zu den AusstellungsmacherInnen herumgesprochen.
Dass ich (außer der Fotografin Cindy Sherman, von der ich allerdings nichts über ihre Arbeitsweise im Netz gefunden habe) keine Frauen gefunden habe, die ihre Werke vom Schimmel erschaffen lassen, kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht arbeiten sie lieber selbst…
Und: Ich habe ein neues Wort gelernt: das Abjekt. Bitte selber gugeln, falls unbekannt.
Heike Sommerfeld (die sich ein wenig wie eine Spaßbremse fühlt)

Die Restaurierung der Urbach-Collagen. Berlinische Galerie

Die Restauratorinnen Maria Bortfeld (BG) und Stefanie Pfeifer (freie Restauratorin) hatten uns in die Werkstatt der Berlinischen Galerie eingeladen, um über die Restaurierung der Urbach-Collagen zu berichten. Zu Beginn gab Ulrike Kohl, Kunstwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der Architektursammlung BG, eine Einführung in die Entstehungsgeschichte der Werke. Die Restauratorinnen Maria Bortfeld (BG) und Stefanie Pfeifer (freie Restauratorin) berichteten über die Restaurierung der Collagen aus dem Bestand der Berlinischen Galerie. Inhaltliche Eckpunkte waren: die Abnahme der Collagen von den Hartfaserplatten, auf die sie aufgeklebt waren, die Sicherung der verlustgefährdeten einzelnen Collageelemente  sowie der Umgang mit dem Schimmelbefall und den originalen Selbstklebebändern (Luckanus Einfassband). Besonders interessant: die Ergänzung eines durch Schimmel zerstörten Details durch digitale Rekonstruktion. Herzlichen Dank an Stefanie Pfeifer, Ulrike Kohl und Maria Bortfeld für den interessanten Abend (nebst gemütlichem Ausklang bei Knabbereien und Getränken).
Werkstattblick

Dieter Urbach: Marx-Engels-Platz, Dom, Fernsehturm, 1972, Foto: Markus Hawlik

Dieter Urbach: Marx-Engels-Platz, Dom, Fernsehturm, 1972, Foto: Markus Hawlik

Riesenformate. Zwei Vorträge.

Es ging gleich zwei Mal um London – quasi mein persönliches Veto gegen den Brexit.
Lucy Angus als Gast von den National Archives in London präsentierte uns die aufwendige und einigermaßen spektakuläre Restaurierung einer 3 x 4 Meter großen Karte. Hier ein kleiner Film und einige Bilder dazu.
Lucy trug in Englisch vor, aber es gab ein kleines Handout auf Deutsch zur Ergänzung der weitgehend selbsterklärenden Fotos und des Dokufilms, hier nachzulesen.
Zur Einstimmung stellten uns zuvor Vendulka Cejchan und Gesine Siedler ihr Projekt einer immerhin 2 x 4 Meter großen London Karte vor. Mancher wird „The Streets of London“ und die „Haken für XXL Objekte“ noch aus ihren Kurzkurzvorträgen im Rahmen des „Kessel Buntes“ von der IADA Tagung erinnern; aber hier war mehr Zeit zur Darstellung von Restaurierung und sehr findiger Ausstellungsvorbereitung vorhanden.
Wir danken Myriam Krutzsch von der Papyrussammlung/Ägyptisches Museum für die Organisation des Veranstaltungsraums:
Michaela Brand
filmstill aus dem youtube-Beitragzwei glückliche restauratorinnen